Nachruf zum Tode von Rolf Abrahamsohn זייל

Die Jüdische Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen trauert um ihren langjährigen Vorstandsvorsitzenden, Ehrengemeindemitglied und letzten Holocaustüberlebenden

ROLF ABRAHAMSOHN

Mit seinem Tod verlieren wir eine Persönlichkeit, der wir sehr viel verdanken. Wir werden Herrn Abrahamsohn stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Im Namen der Jüdischen Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen
Dr. Mark Gutkin Vorstandsvorsitzender

Rolf Abrahamsohn wurde am 9. März 1925 in Marl als eines von vier Kindern einer Kaufmannsfamilie geboren. Sein Vater betrieb ein Kaufhaus für Bekleidung und Schuhe. Ab 1931 besuchte er die evangelische Goetheschule in Marl; ab 1934 wurden die Diskriminierungen so stark, dass er die Schule verließ.

Mit dem Novemberpogrom 1938, körperlichen Angriffen und Brandstiftung im Ladengeschäft setzte die Vertreibung aus Marl ein; die Familie zog in ein sogenanntes Judenhaus in Recklinghausen. Sein Vater und der älteste Bruder wurden inhaftiert. Nach der Haftentlassung flohen beide nach Belgien. Das elterliche Haus wurde von der örtlichen NSDAP übernommen und zur lokalen Parteizentrale gemacht.

Mit 14 Jahren musste Rolf Abrahamsohn Zwangsarbeit leisten, unter anderem für die Firma Ruhrgas in Gelsenkirchen. Sein jüngerer Bruder starb 1940 an Diphtherie.

Im Januar 1942 wurde Rolf Abrahamsohn mit seiner Mutter und den in Recklinghausen verbliebenen Juden nach Riga deportiert. Er überstand das dortige Ghetto, das KZ Kaiserwald, in dem seine Mutter an den grausamen Lebensbedingungen starb, das KZ Stutthof bei Danzig und monatelange Zwangsarbeit im KZ-Außenkommando Brüllstraße in Bochum. Dort war er in der Rüstungsproduktion und beim Bombenräumen eingesetzt. In den letzten Kriegswochen wurde er über Buchenwald nach Theresienstadt transportiert und dort von der Roten Armee befreit.

Sein Vater und sein Bruder waren aber von Belgien aus deportiert und ermordet worden. Eine Auswanderung in die USA misslang, eine eventuelle britische Internierung in Palästina wollte er nicht riskieren. Rolf Abrahamsohn bau-te das Geschäft seiner Eltern in Marl wieder auf und wur-de ein erfolgreicher Textilunternehmer mit zeitweise eige-ner Produktion.

Ab den 1970er Jahren engagierte er sich in der von ihm und anderen Überlebenden neu errichteten Jüdischen Gemeinde Recklinghausen-Bochum intensiver und war von 1978 bis 1992 deren Vorsitzender. Zugleich war er aktiv in der christlich-jüdischen Verständigung und beim Aufbau von Kontakten nach Israel. Als wichtiger Zeitzeuge und als Überlebender mehrerer NS-Lager berichtete er in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen über seine Lagererfahrungen und das jüdische Leben im Allgemeinen.

Die Redaktion unseres Magazins möchte an dieser Stelle, auf ein Interview mit Rolf Abrahamson aus dem Jahre 2014 verweisen, das er seinerzeit den Fernsehreportern aus Recklinghausen gegeben hat. Die Geschichten dieses erstaunlichen Mannes verblüffen durch echten Mut und Widerstandsfähigkeit während einer Zeit, in der ganz Deutschland von der „braunen Pest“ erfasst wurde…

Rolf Abrahamsohn im Alter von 96 Jahren verstorben, Trauer um letzten Holocaust-Überlebenden im Kreis Recklinghausen:
https://www.waltroper-zeitung.de/kreis-re/trauer-um-letzten-holocaust-ueberlebenden-im-kreis-recklinghausen-w1708424-11000124077/

In der Hoffnung, überlebende Familienmitglieder aufzufinden, kehrte Abrahamsohn nach Marl zurück: http://heimatkunde-jmw.de/wohin-nach-1945/

Abrahamsohn ist Vestischer Ehrenbürger Der Kreis Recklinghausen ehrte Abrahamsohn 2011 mit der Ehrenbürgerschaft: http://www.marlaktuell.de/?p=208557

2020 erhielt Abrahamsohn den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen, über dieses Ereignis haben wir in der zweiten Ausgabe unseres Magazins auf den Seiten 26-27 berichtet. Sie können auch hier darüber lesen: https://web.archive.org/web/20200106182939/https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/verdienstorden-fuer-holocaust-ueberlebenden-aus-marl-100.html

Kleine interaktive Lebensgeschichte von Rolf Abrahamsohn. Werde Zweitzeuge, Ruth-Anne ist eine Zweitzeugin von Rolf Abrahamsohn. Sie wird Sie hier durch seine Lebensgeschichte begleiten: https://werde-zweitzeuge.de/rolf-abrahamsohn

Rolf Abrahamsohn berichtet am 30. Juli 2014 im Jüdischen Museum in Dorsten von seinem Schicksal (Teil 1): https://vimeo.com/390140526

Rolf Abrahamsohn spricht über Jüdischsein, Freunde und Unterstützer haben, während der NS-Zeit und danach. Das Gespräch führte Benjamin Ziegs 2014 im Jüdischen Museum Dorsten (Teil 2): https://vimeo.com/388988253