In Memoriam Landesrabbiner Henry Brandt ז״ל

„Besser ein guter Name als köstliches Öl
und der Tag des Todes als der Tag der Geburt.“
Kohelet 7.1

Der Tod hinterlässt eine schwere und unheilbare Wunde in unseren Herzen. Auch wenn diese Wunde in Zukunft verheilt, werden wir unter dem Einfluss von Zeit und Erinnerung von Zeit zu Zeit den Schmerz und die Leere des Verlustes fühlen.

Rabbiner Brandt ist nicht mehr unter den Lebenden.
Es ist wirklich unmöglich zu glauben.

Er war sehr vieles für sehr viele Menschen in verschiedenen Phasen des Lebens. Es besteht kein Zweifel, dass des Weiteren viele Erinnerungen und Geschichten über seinen Lebensweg, seine Persönlichkeit und seine Errungenschaften gesammelt werden.

In der jüdischen Gemeinde Dortmunds wurde er für viele junge und erwachsene Juden, die aus der ehemaligen Sowjetunion kamen, zum ersten Berührungspunkt mit dem Leben der jüdischen Gemeinde. Als Landesrabbiner von Westfalen-Lippe war er für zehn Gemeinden verantwortlich. Er war ein Lehrer, der immer bereit war zuzuhören, einen Rat zu geben, zu unterstützen und Hilfe zu leisten.

Er traf die Menschen in seinem Büro, in Schulklassen, beim Unterricht für Erwachsene, in dem Gebetssaal der Synagoge während des G-ttesdienstes, in Momenten der Freude und in Stunden des Verlustes, Rabbiner Brandt hatte viele Freunde und Schüler innerhalb und außerhalb der Gemeinde.

Den Dialog hielt er für das Wichtigste im Leben.

Meine Familie traf Rabbiner Brandt im Jahr 1995, es wurde zum Segen. Wir arbeiteten im Bildungsbereich zusammen, was zur Zeit des Lernens wurde. Die Arbeit wird fortgesetzt, der Unterricht für Erwachsene findet mehrmals die Woche statt.

Dies war der Wunsch des Rabbiners: Seinen Namen und seine Ideen für die Zukunft zu bewahren.

Herzliches Beileid an die Familie von Rabbiner Brandt in der Schweiz und in Israel.

Rabbi Brandt starb nach dem jüdischen Kalender am 7. Adar 5782. In dieser Woche des Adars liest man immer den Wochenabschnitt „Tezawe“ der Torah. In diesem Abschnitt treffen wir kein Mal den Namen unseres Lehrers Moshe – Mosche Rabeinu.

Warum?

Die Lehrer der Torah sagen: „Weil dieser Abschnitt immer auf den 7. Adar fällt – den Tag, als Moshe Rabeinu diese Welt verließ.“ Und die Weisen setzen fort: „Dieses Datum ist auch der Geburtstag von Moshe.“

Im Leben gibt es keine Zufälle.

Vor einigen Monaten erinnerte sich Rabbiner Brandt an die Worte eines seiner bekannten Lehrer und zitierte wörtlich folgendes: „Love is mightier than the grave. – Liebe ist stärker als das Grab. Ich würde hinzufügen: so ist die Erinnerung.“

Wir werden uns an Rabbiner Brandt erinnern, den zahlreichen kostbaren Erinnerungen dankend, die unsere Herzen bewahren. Erinnerungen, die ein Lächeln oder Tränen auf Ihren Gesichtern hervorrufen.
Und möge die Erinnerung an Rabbiner Brandt zum Schutz und Segen für uns alle werden.

Dr. Tanya Smolianitski
Foto: Privatarchiv Rabbiner Brandt

Rabbi Henry G. Brandt

„Ich bin, wenn ich mich selbst beschreiben darf, eigentlich ein Mensch des Ausgleichs“.

Quelle: „Ich bin eigentlich ein Mensch des Ausgleichs“ Am 1. Juli tritt Henry G. Brandt sein Amt als Landesrabbiner von Westfalen an. Von Babara Maria Vahl
Jüdische Allgemeine Wochenzeitung Nr. 13/95, 29.6.1995

„Meine Sicht der Menschen. Ich habe mir das jüdische Motto zu eigen gemacht: ‚Empfange jeden mit gutem Gesicht’.“

Quelle: 9 Fragen an Henry Brandt. Neue Stadt 1/ 2018

„Man kann nicht willkürlich, weil es einem gerade in den Kram passt, Grenzsteine versetzen.“

Quelle: „Ich bin eigentlich ein Mensch des Ausgleichs“ Am 1. Juli tritt Henry G. Brandt sein Amt als Landesrabbiner von Westfalen an. Von Babara Maria Vahl
Jüdische Allgemeine Wochenzeitung Nr. 13/95, 29.6.1995

„Ja, da können Sie notieren, dass mir der jüdisch- christliche Dialog sehr am Herzen liegt.“

Quelle: Schwer zu erwischen, aber immer da. Ein Tag im Alltagsleben des Landesrabbiners Dr. Henry Brandt. Ruhr Nachrichten, 1. Oktober 2002

„Dadurch habe ich ein tieferes Verständnis für die Probleme der Menschen gewonnen, nicht nur aus dem Winkel des theoretischen Verstehens heraus.“

Quelle: Festschrift. 200 Jahre Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern Dr. Henry G. Brandt, Seite 36-37

„Wenn ich an meinen seligen Vater denke: Er lachte darüber so sehr, dass wir über ihn lachen mussten, bis uns allen die Tränen kamen.“

Quelle: 9 Fragen an Henry Brandt. Neue Stadt 1/ 2018

„Eine wichtige Aufgabe für uns alle ist die Vermittlung des Wissens an die Mitglieder der Gemeinden. Wir selbst sind zu wenige, um allein diese Aufklärung zu betreiben. Doch wir setzen auf die Multiplikatoren in Kirche und Schulen.“

Quelle: „Jüdische Gemeinden vor großer Herausforderung“ Ruhr Nachrichten, 1. Juli 1995

„Wir haben immer Schabbat gehalten. Und ich erinnere mich mit kindlicher Nostalgie an die große Synagoge in München – es war eine liberale Gemeinde; für ein Kind war es das hellste Vergnügen, dort hinzugehen, es war ein Privileg.“

Quelle: „Ich bin eigentlich ein Mensch des Ausgleichs“ Am 1. Juli tritt Henry G. Brandt sein Amt als Landesrabbiner von Westfalen an. Von Babara Maria Vahl
Jüdische Allgemeine Wochenzeitung Nr. 13/95, 29.6.1995

„Seit meiner ersten Position als Rabbiner und bis auf den heutigen Tag ist ein fotografisches Bild ein ständiger Wandschmuck meines Büros: die Hauptsynagoge Münchens. Für mich ist es eine unauslöschliche und unverzichtbare Erinnerung meiner religiösen Wurzeln; Ausgangspunkt, Motor und Vision meiner Arbeit als Rabbiner in vielen Ländern. … Kurz gesagt: Zumindest zum Teil erklärt dieses Bild den Weg meines Lebens.“

Quelle: Festschrift. 200 Jahre Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern Dr. Henry G. Brandt, Seite 36-37.

„Ich erinnere mich mit Freude an mein Elternhaus, wir waren liberal – religiös.“

Quelle: „Ich bin eigentlich ein Mensch des Ausgleichs“ Am 1. Juli tritt Henry G. Brandt sein Amt als Landesrabbiner von Westfalen an. Von Babara Maria Vahl
Jüdische Allgemeine Wochenzeitung Nr. 13/95, 29.6.1995

„Antisemitismus lässt sich nicht mit dem warnenden Zeigefinger bekämpfen. Man muss die Wurzeln angehen. Und das lässt sich nur mit gründlicher Aufklärung betreiben.“

Quelle: „Jüdische Gemeinden vor großer Herausforderung“ Ruhr Nachrichten, 1. Juli 1995

„Ich war ja von 1948 bis 1951 Flottenoffizier in der israelischen Marine. Wäre ich da geblieben, wäre ich heute wohl Admiral. Das hätte mir gefallen. Ich sage nämlich gerne, wo es langgeht.“

Quelle: Was den Rabbiner freut und was ihn sorgt. Interview Henry G. Brandt.
Christopher Beschnitt.
Augsburger Allgemeine Nr.221, 25.September 2017

„Ein guter Rabbiner muss Humor haben. Eine kleine Anekdote aus Palmach Zeiten. Einmal näherte sich eine ägyptische Flottille der Küste vor Tel-Aviv, um dort zu landen; ich selbst kreuzte auf dem ersten israelischen Kriegsschiff – das ursprünglich ein Eisbrecher gewesen war – in dem Gewässer. Die Ägypter flohen dann auch vor diesem großen, festen Schiff. Sie wusste aber nicht, dass unsere Kanone, nichts als eine Blechattrappe war, mit der wir zwar wie verrückt herumfuchtelten, mit der wir aber nicht mal eine Papierkugel hätten abschießen können.“3

Quelle: Schwer zu erwischen, aber immer da. Ein Tag im Alltagsleben des Landesrabbiners Dr. Henry Brandt. Ruhr Nachrichten, 1. Oktober 2002

„Ich habe versucht, dem Rabbinat ein menschenfreundliches Gesicht zu geben. Es würde mich freuen, wenn dies auch in der Zukunft so bliebe.“

Quelle: Der Abschied fällt schwer. Dr. Henry G. Brandt
Gemeindeblatt der jüdische Kultusgemeinde Groß-Dortmund, Juli – August 2004

„Ich habe es mir immer zum Grundsatz gemacht, eine Gemeinde innerhalb gewisser Grenzen – so zu führen, wie sie geführt sein will. Für mich gilt: Ich bin für die Gemeinde da und nicht die Gemeinde für mich. Das heißt, dass ich nicht von mir aus festlegen werde, in welche Richtung die Gemeinde gehen soll, sie muss das schon selbst entscheiden. Ich nehme die Gemeindemitglieder ernst.“

Quelle: „Ich bin eigentlich ein Mensch des Ausgleichs“ Am 1. Juli tritt Henry G. Brandt sein Amt als Landesrabbiner von Westfalen an. Von Babara Maria Vahl
Jüdische Allgemeine Wochenzeitung Nr. 13/95, 29.6.1995

„Ich hatte gemerkt, dass es in der Industrie nicht viel anders zugeht als in der Armee: Jeder sucht sich sein Pöstchen, tritt nach unten und verbeugt sich nach oben; ich fand, dass die Menschen nicht menschlich miteinander umgingen, sondern nur Karriere bezogen; ich habe eine gewisse Leere verspürt.“

Quelle: „Ich bin eigentlich ein Mensch des Ausgleichs“ Am 1. Juli tritt Henry G. Brandt sein Amt als Landesrabbiner von Westfalen an. Von Babara Maria Vahl
Jüdische Allgemeine Wochenzeitung Nr. 13/95, 29.6.1995

„Ich hoffe, ich bin auch fähig, manchmal Selbstkritik anzubringen, dass ich vielleicht mal falsche Prioritäten gesetzt habe, dass ich hier und da mal nicht den richtigen Ton getroffen habe, dass ich etwas vernachlässigt habe, was ich hätte wichtiger nehmen müssen.“

Quelle: „Ich bin eigentlich ein Mensch des Ausgleichs“ Am 1. Juli tritt Henry G. Brandt sein Amt als Landesrabbiner von Westfalen an. Von Babara Maria Vahl
Jüdische Allgemeine Wochenzeitung Nr. 13/95, 29.6.1995

„Ich darf mich glücklich schätzen. Bei mir ist das Glas immer halbvoll!“

Quelle: Zeit für Wunder. Geschichten erzählt von Rabbi Henry G. Brandt, 2017