Zwi Rappoport,
Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe K.d.o.R.

Liebe Gemeindemitglieder,
die hoffentlich für Sie alle erholsamen Sommerferien sind vorbei, und der Alltag hat wieder begonnen. Leider macht der Judenhass niemals Ferien und die zurückliegende Zeit war in dieser Hinsicht für uns leider sehr ereignisreich.
Der Umgang mit antisemitischen Darstellungen auf der Kunstausstellung Documenta in Kassel hat uns alle fassungslos gemacht.
Schon früh hatte der Zentralrat der Juden vor der Gefahr von Antisemitismus gewarnt, wurde aber sowohl von den zuständigen Politikern als auch den verantwortlichen Ausstellungsmachern nur beschwichtigt. Niemand wollte ernsthaft etwas unternehmen.
Als dann nach der Eröffnung der Ausstellung tatsächlich zutiefst antisemitische Kunst gezeigt wurde, war der Skandal perfekt. Zwar reagierten nunmehr Politik und Medien. Es wird sogar der Abbruch der Ausstellung gefordert. Die Documenta-Leitung aber zeigt bis heute keine wirkliche Einsicht, obwohl fast jeden Tag neue antisemitische Bilder, Videos oder Broschüren entdeckt werden. Es wurde lediglich das zuerst kritisierte antisemitische Banner entfernt und eine Geschäftsführerin trat zurück. Ansonsten wird trotz scharfer Kritik weiterhin antisemitische Kunst gezeigt, die vom deutschen Staat auch noch mitfinanziert wird!
Israelbezogener Antisemitismus im gesamten Kulturbetrieb bleibt daher weiterhin ein großes Problem. Zumindest ist jetzt allen klar: Wer Sympathisanten der Israelboykottbewegung „BDS“ einlädt, erntet Antisemitismus.
Schon lange sorgt eine besonders drastische antisemitische Darstellung für Streit. An der Stadtkirche der Lutherstadt Wittenberg findet sich gut sichtbar die sogenannte „Judensau“, ein Sandsteinrelief aus dem 13. Jahrhundert.
In einem höchstrichterlichen Urteil wurde nunmehr zwar ausdrücklich festgestellt, dass es sich um einen „in Stein gemeißelten Antisemitismus“ handelt, die Figur aber nicht entfernt werden muss, da durch die nachträglichen Erläuterungen das Schandmal zum Mahnmal geworden sei. Die Debatte, ob solche Darstellungen entfernt oder nur eingeordnet werden, geht aber weiter. Angesichts des abgrundtiefen Judenhasses Luthers sollte man das Relief jedenfalls nicht mehr „Judensau“, sondern „Luthersau“ nennen…
Dieser Sommer hat uns auch eine weitere kriegerische Auseinandersetzung in Israel beschert.
Nach massiven Bedrohungen sind die israelischen Verteidigungskräfte in einem Präventivschlag gegen die Terrororganisation Islamischer Dschihad vorgegangen und konnten dessen Fähigkeit, Israel zu attackieren, entscheidend schwächen. Es kam daraufhin abermals zu Raketenangriffen auf das israelische Kernland, aber eine dauerhafte Eskalation konnte diesmal vermieden werden. Bemerkenswert ist, dass die in Gaza herrschende Hamas diesmal nicht in die Auseinandersetzungen eingegriffen hat. Aber der nächste Konflikt scheint vorprogrammiert zu sein.
Zuletzt hat zu allem Überfluss der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas bei einem Besuch in Deutschland die Schoah relativiert – nicht zum ersten Mal. Er hat dies auf einer Pressekonferenz mit unserem Bundeskanzler Olaf Scholz getan, der darauf nicht sofort widersprach und ihm anschließend sogar die Hand schüttelte, was von allen Seiten heftig kritisiert wurde. Erst im Nachhinein verurteilte Scholz die Aussage von Abbas, in Israel hätte es „50 Holocausts“ gegen die Palästinenser gegeben.
Hoffentlich führt dieser Vorfall dazu, dass die bisherige finanzielle Unterstützung an Präsident Abbas grundsätzlich überdacht wird.
Nach all diesen denkwürdigen Ereignissen hoffe ich nun, dass auf den heißen Sommer ein ruhiger, friedlicher Herbst folgt, denn mit den hohen Feiertagen stehen nun die Höhepunkte des jüdischen Jahres bevor.
Ich wünsche uns allen eine Zeit voller Fröhlichkeit und Freude, aber auch eine Zeit der Besinnlichkeit und Spiritualität. Mögen wir alle Rosch HaSchana, Jom Kippur, Sukkot und Simchat Thora in unserer jeweiligen Gemeinde gemeinschaftlich feiern können.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen
Schana Tova Umetuka, ein gutes und süßes Neues Jahr 5783!