Was tun bei einem antisemitischen Vorfall?
Servicestelle ADIRA berät und bietet Unterstützung an
Im Alltag von Jüdinnen und Juden kommt es leider immer wieder zu antisemitischen Vorfällen. Ob es sich dabei um eine Straftat handelt oder „nur“ einen blöden Spruch vom Arbeitskollegen – beides kann Antisemitismus sein. Aufgrund der aktuellen Zunahme von Antisemitismus, fragen sich viele, was sie bei einem antisemitischen Erlebnis eigentlich tun können. Als Antidiskriminierungsberatungsstelle der Jüdischen Gemeinde Dortmund beraten und unterstützen wir Betroffene von Antisemitismus und möchten an dieser Stelle einige grundlegende Hinweise zusammenfassen.

Wie bereits angesprochen: Antisemitismus kann sich ganz unterschiedlich äußern. Er kann sich in Worten oder Taten äußern: als „Witz“, als Ausgrenzung, als Beleidigung, als Diskriminierung als Drohung oder auch als Angriff gegen Menschen und Einrichtungen, die jüdisch sind oder als jüdisch wahrgenommen werden. Antisemitismus kann sich sehr subtil bzw. versteckt, aber auch offen ausdrücken. Antisemitismus hat dabei viele Gesichter. Es geht vielleicht um die Zuschreibung von Macht und Reichtum, eine Behauptung von körperlichen Merkmalen oder charakterlichen Eigenschaften, die Verharmlosung oder Relativierung der Shoah, eine Identifizierung von Jüdinnen und Juden mit Israel und Vieles mehr. Was auch passiert: Wenn sich ein Vorfall gegen Jüdinnen und Juden richtet, weil sie jüdisch sind, ist es Antisemitismus!
Antisemitismus selbst ist kein Straftatbestand, kann sich aber in Straftaten ausdrücken. Dies ist der Fall, wenn, sie als solche vom Gesetz bestimmt sind, z.B. Beleidigungen, Sachbeschädigungen oder Körperverletzungen. Manche Äußerungen sind jedoch leider nicht strafbar und es lässt sich nicht immer pauschal sagen, was eine Straftat ist. So oder so kann sich Antisemitismus aber auch unter der Strafbarkeitsgrenze auf das eigene Sicherheitsempfinden auswirken.
Eine antisemitische Diskriminierung besteht darin, dass Jüdinnen und Juden benachteiligt werden und/oder schlechter behandelt werden als andere Menschen – dies ist nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verboten. Wenn also beispielsweise einem Juden mit Kippa der Zugang zu einem Restaurant verwehrt wird und es dafür keinen sachlichen Grund (wie z.B. dass keine Reservierung vorliegt) gibt, dann ist das eine unrechtmäßige Ungleichbehandlung. Dagegen lässt sich vorgehen!
Wie können Sie akut handeln bei einem antisemitischen Erlebnis? Das Wichtigste ist, dass Ihre Wahrnehmung entscheidend ist! Wenn Sie sich unwohl oder beleidigt fühlen, ist dies Ihr gutes Recht! Es ist gerechtfertigt, deutlich zu machen, dass bestimmte Aussagen verletzend sind. Es kann auch helfen, die jeweilige Situation zu verlassen oder ein Gespräch abzubrechen, bei Angriffen ist auch Notwehr erlaubt, der Selbstschutz sollte aber im Vordergrund stehen. Wenn nötig, versuchen Sie Hilfe zu holen (z.B. Polizei rufen), andere Personen anzusprechen und Umstehende einbeziehen („Seht ihr das auch so?“). Je nachdem, ob Ihnen Ihr Gegenüber bekannt oder fremd ist, können Sie auch das Gespräch suchen und bei unbewussten Aussagen auf den antisemitischen Inhalt hinweisen.
Was lässt sich konkret nach einem Vorfall tun? Wichtig ist zunächst: Sie sind niemals Schuld an einem antisemitischen Vorfall, verantwortlich sind allein die Täter*innen und ihre antisemitische Einstellung. Sie dürfen Unterstützung in Anspruch nehmen, egal wie klein der Vorfall Ihnen erscheint. Wir sind in jedem Fall für Sie da! Über das Erlebte zu sprechen, mit vertrauten Personen, aber auch Fachstellen wie ADIRA ist sinnvoll und kein Zeichen von Schwäche, auch emotionale Reaktionen wie Wut oder Angst sind normal.
Wenn Sie Unterstützung benötigen oder Fragen haben, können Sie einen Beratungstermin bei ADIRA vereinbaren. Unsere Beratung ist kostenlos, vertraulich, kann auf Wunsch auch anonym erfolgen oder auch an einem Ort Ihrer Wahl. Wir hören Ihnen zu und stellen das Erlebte nicht in Frage. Sie können in einem geschützten Rahmen alles besprechen, was Sie beschäftigt. Gemeinsam ordnen wir den Vorfall dann ein und können Handlungsoptionen erarbeiten.
Das können zum Beispiel weitere Beratungsgespräche sein, um Sie in der aktuellen Situation zu stärken, aber auch die Beratung zu möglichen rechtlichen Schritten oder das Führen von Vermittlungsgesprächen. Wir begleiten Sie bei Bedarf auch zu Behörden, Gericht oder anderen relevanten Terminen. Ebenso beraten wir auch Angehörige, Zeug*innen usw. und können an andere qualifizierte Stellen vermitteln. Auf Wunsch können wir Fälle auch öffentlich machen und Pressearbeit betreiben. Zentral ist aber immer, dass wir nur machen, was Sie möchten!
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- Falls aber eine Straftat oder rechtliche Diskriminierung vorliegt, gibt es einige wichtige Punkte zu beachten, bei denen wir auch Unterstützung anbieten können:
- Dokumentieren Sie mögliche Verletzungen, Beschädigungen oder Aussagen, z.B. durch Fotos oder online durch Screenshots.
- Erstellen Sie zudem zeitnah ein Gedächtnisprotokoll: Schreiben Sie auf, was genau passiert ist und wo und wann. Das hilft Ihnen, wenn Sie sich später nicht mehr an alles erinnern können.
- Erstatten Sie Strafanzeige oder legen Sie Diskriminierungsbeschwerde ein. (Achtung: Hier gilt eine Frist von acht Wochen!)
Darüber hinaus ist es wichtig, dass Sie Vorfälle – egal ob es sich um eine Straftat handelt oder nicht – auch an die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen (RIAS NRW) melden. Dies geht einfach online unter www.rias-nrw.de. Damit sorgen Sie dafür, dass der Vorfall in eine Statistik eingeht und Antisemitismus sichtbarer gemacht wird.
Momentan erreichen uns auch viele Meldungen über Vorfälle an Schulen. Antisemitismus ist dort leider keine Seltenheit und aktuell haben viele Eltern und Kinder nachvollziehbare Sorgen, was den Schulalltag angeht. Auch hier können wir Ihnen und Ihrer Familie unterstützend zur Seite stehen. Wir können mit auf Schulen zugehen und Gespräche initiieren. Wir können die Vorfälle dabei fachlich einordnen und verdeutlichen, dass bei Antisemitismus an Schulen dringender Handlungsbedarf besteht. Wir können Lehrkräften Fortbildungen anbieten, damit Schulen für Antisemitismus sensibilisiert werden und Vorfälle sich möglichst nicht mehr wiederholen.
Für Gemeinden und ihre Mitglieder in Westfalen-Lippe bieten wir auf Anfrage auch gerne Workshops zum Umgang mit Antisemitismus an, sprechen Sie uns einfach an.
ADIRA / Jüdische Gemeinde Dortmund
www.adira-nrw.de
kontakt@adira-nrw.de
0231/55 74 72 51
Johanna Lauka und Micha Neumann