Solidarität bedeutet helfen
Die Mischna sagt im Traktat Avot (1,14): „Wenn ich nicht für mich einstehe, wer wird für mich einstehen? Doch was bin ich wert, wenn ich nur für mich bin?“ Der Kreis der Sorgen eines Menschen ist nichts wert, wenn er sich nur auf seine eigenen Bedürfnisse beschränkt, und ein echter Mensch, der sich nur um seine Nöte sorgt und nicht weiter schaut hat wenig Ähnlichkeit mit einem Menschen und ähnelt mehr wilden Tieren, die sich nur um ihr eigenes Überleben sorgen. Sogar die erste Aktivität, welche die Torah von Moses berichtet, betrifft seine Überlegenheit in solchem Maße: „Und Moses wurde erwachsen und ging zu seinen Brüdern, und sah ihr Leiden.“ (Exodus 2:11)

An allem vorher Gesagtem sehen wir, wie auch aus vielen anderen Quellen, dass Mitgefühl und Mitleid – selbst wenn uns keine unmittelbare Gefahr droht – eine grundlegende Eigenschaft des Volkes Israel ist. Deswegen ist es selbstverständlich, dass wir nicht außen vor bleiben konnten nach der Tragödie, welche unsere Brüder und Schwestern am Simchat Torah-Fest am 7. Oktober 2023 erlebt haben.
Nach nicht langem Überlegen, welche essentielle Hilfe wir für Israel leisten könnten, haben wir uns dafür entschieden, den Notfall-Rettungsdienstes Israel Magen David Adom (kurz MaDA, Roter Schild Davids) zu unterstützen, welche der nationale medizinische Notruf-Dienst ist. Zu den Aufgaben des MaDA gehört es, an den Ort der Ereignisse hinauszufahren, sei es eine Wohnung, ein Haus oder ein Weg, auf dem ein Unfall passiert ist, oder eine Straße, wo ein Terror-Angriff geschehen ist; Leistung der Ersten Hilfe, um einen Kranken oder ein Opfer zu stabilisieren und sein Transport ins Krankenhaus, wo er weiter medizinisch behandelt wird.
Euer Diener, der Autor dieser Zeilen, war ein Freiwilliger beim MaDA für einige Jahre nach der Beendigung der Kurse und dem Bestehen der Prüfungen für den Beruf des EMT (Emergency Medical Technician, Rettungssanitäter). Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie kritisch für das weitere Überleben und die Wiederherstellung eines Opfers oder eines Kranken die ersten Maßnahmen zu seiner Stabilisierung und Verbesserung seines Zustandes sind. Gerade mit dem Verständnis der Bedeutung der Ersten Hilfe bei der Überlebenswahrscheinlichkeit und Wiederaufrichtung des Opfers nutzt das MaDA die beste und modernste Ausrüstung und richtet sich nach den aktuellsten Errungenschaften der Wissenschaft für die Erstellung von Protokollen der Leistung der Ersten Hilfe.
Während des brutalen Angriffs der HAMAS auf die friedlichen Bewohner von Städten und Kibbuzim am 07.10.2023 haben die Terroristen viele Rettungswagen des Magen David Adom zerstört, die auf dem Weg waren, die Verletzten zu retten; einige Mitarbeiter und Freiwillige wurden getötet und verletzt, während sie ihre heilige Pflicht der Rettung von Menschen ausübten. Unsere Gemeinde hat in diesen Ereignissen die Relevanz des Ausdrucks der Solidarität mit der Bevölkerung Israels und des eigenen Mitleids gesehen: Nach dem Beschluss des Vorstandes und der Führung der Gemeinde haben wir den Aufruf gestartet, Mittel für die Beschaffung eines neuen Ambulanz-Autos zu sammeln – eines Rettungswagens für den MaDA-Dienst. Es war keine einfache Aufgabe, doch sehr viele Menschen aus unserer Gemeinde und von außerhalb, sowie öffentliche Organisationen und Unternehmen sind unserem Aufruf gefolgt, indem sie ihre Spenden auf das Konto überwiesen. Ich möchte insbesondere die Unterstützung der Jüdischen Gemeinde der Stadt Münster unterstreichen, durch deren Bemühungen etwa 15 % der Gesamtsumme gesammelt wurden. Zum Frühling hin war die Mission erfüllt, das Geld überwiesen und die Herstellung des neuen Rettungswagens begann. Sobald er fertig ist, wird MaDA ihn in der Stadt einsetzen, in der aktuell die größte Notwendigkeit an zusätzlichen Ambulanzwagen besteht.

v.l.n.r.: Alexander Levin, Wolfgang Polak, Sharon Fehr, Rabbiner Avigdor Moshe Nosikov, Zwi Rappoport, Diana Broner, Leonid Chraga
bei der Übergabe des Schecks zur Finanzierung eines neuen Rettungswagens.
Foto: Darya Singh / J.E.W.
Für die, die ihren Beitrag für die Sammlung von Mitteln geleistet haben, möchte ich einige Details zur Bedeutung ihres Beitrages teilen: Ein Rettungswagen ist nicht weniger als 10 Jahre im Dienst, das sind insgesamt 3350 Tage. Während dieser Zeit ist er in der Regel 24/7 im Dienst und damit arbeiten Gruppen von Mitarbeitern oder Freiwilligen, die den Notrufen der Menschen folgen, die schnelle medizinische Hilfe brauchen. Das bedeutet, dass im Laufe der kommenden 10 Jahren alle Leben der Menschen, die professionelle medizinische Hilfe erhalten haben und deswegen überlebt haben, weil die Rettungskräfte ihnen mit diesem Wagen geholfen haben, weiterhin am Leben sein werden, das ihr ihnen geschenkt habt, indem ihr euren Beitrag zum Erwerb dieses Rettungswagens geleistet habt. Man kann den Beitrag nicht überschätzen, denn man weiß, dass derjenige, der auch nur ein Leben gerettet hat, vom Allm-chtigen wie jemand geschätzt wird, der eine ganze Welt gerettet hat!
Während meiner Tätigkeit als Freiwilliger bei MaDA habe ich immer zu Beginn des Dienstes immer gehofft, dass es keine Notrufe gibt und dass alle heil und gesund sind, doch wenn ein Notruf einging, eilten ich und mein Team, um den Menschen zu helfen. Ich wünsche mir, dass unser Dortmunder Rettungswagen und seine Teams nach denselben Prinzipien und mit dem gleichen Enthusiasmus arbeiten!
Allen, die diese Sammlung im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt haben, möchte ich sagen: Ich freue mich, dass wir nicht abseits geblieben sind und die Möglichkeit hatten, Teil einer großen Sache zu sein. Und an diejenigen, die bewusst die Möglichkeit zu helfen nicht genutzt haben: Ich wünsche euch, dass ihr noch eine Chance bekommt, eine richtige und gute Tat zu begehen und Teil des großen Guten zu werden!
Rabbiner Avigdor Moshe Nosikov