Zwi Rappoport,
Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe K.d.o.R.

Liebe Gemeindemitglieder, liebe Freunde,
unser jüdisches Leben hier in Deutschland war schon immer weit von der Normalität entfernt.
Doch seit dem 7. Oktober herrscht für uns Juden ein bisher nicht erlebter Ausnahmezustand. Die Welle des Hasses hat schon am Tag des unvorstellbaren Massakers der Hamas begonnen und ist bis heute nicht abgeebbt.
Auch von dem Zuspruch und der Solidarität, die uns nach dem 7. Oktober aus Politik und Teilen der Öffentlichkeit erreicht hat, ist inzwischen nicht viel übriggeblieben. Ohnehin war von Anfang Empathielosigkeit und Desinteresse aus der Mehrheitsgesellschaft einschließlich vieler Intellektueller in Kultur und Wissenschaft spürbar. Der Gegenschlag Israels zur Verteidigung des Landes und zur Verhinderung zukünftigen Terrors hat zu einer weiteren Entsolidarisierung geführt. Das perfide Vorgehen der Hamas, die eigene Bevölkerung in Gaza als Schutzschirm und Geisel zu missbrauchen war von Erfolg gekrönt. Heute stehen Israel und die jüdische Bevölkerung in der Welt fast alleine da.
So verwundert es kaum, dass selbst die mutige Befreiung von vier israelischen Geiseln aus der Hand der Terroristen nur in Israel und bei Juden in der ganzen Welt unbändige Freude und Dankbarkeit ausgelöst hat. Mehrheitlich aber ist Israels heldenhafte Rettung der eigenen Staatsbürger wegen der zivilen Opfer auf palästinensischer Seite scharf kritisiert worden. Dabei war es doch die Terrororganisation, die die verschleppten Geiseln mitten in dicht besiedelten Wohngebäuden gefangen hielt, dadurch Unbeteiligte in Gefahr brachte und die bedauernswerten zivilen Opfer verursachte. Eine solche Täter-Opfer-Umkehr ist ein Kernelement jeden Antisemitismus.
Auch das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung aufgrund des perfiden Handelns der Hamas ist schmerzlich, und verdient Empathie. Diejenigen aber, die den Zivilisationsbruch der Hamas zu einem „Widerstandskampf“ stilisieren, von dem unvorstellbaren Leid der israelischen Geiseln nichts wissen wollen und stattdessen die Existenzberechtigung Israels leugnen, missbrauchen die Solidarität mit unschuldigen palästinensischen Opfern. Sie kaschieren damit nur den eliminatorischen Antisemitismus gegen Israel und das Jüdische Volk. Hoffentlich wird die Mehrheitsgesellschaft diese ersichtlichen Zusammenhänge eines Tages erkennen!
Derweilen werden wir Juden uns tagtäglich mit dem zunehmenden Antisemitismus auseinandersetzen müssen.
Aber sind wir das nicht seit Jahrtausenden gewöhnt?
Und hat das jüdische Volk nicht schon viele solche schwierigen Situationen auf wundersame Weise überstanden?
In diesem Sinne: AM ISRAEL CHAI