Fortbildung der Deutschen Hochschule der Polizei in der Jüdischen Gemeinde Münster

Dozentinnen und Dozenten der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster (DHPol) kamen heute in den Räumen unserer Jüdischen Gemeinde Münster zu einer Fortbildung zusammen. Im Fokus stand das Thema „Antisemitismus als historische und aktuelle Herausforderung für Polizei und Gesellschaft“ – ein Anliegen von besonderer Dringlichkeit angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen.

v.l.n.r.:
Sharon Fehr, Ehrenvorsitzender und Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Münster;
Hanna Stöckmann, Mitglied der Gemeindevertretung;
Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus;
Dr. Haydée Mareike Haass, Vertretungsprofessorin und Antisemitismusbeauftragte der DHPol

Die Veranstaltung bildete den Abschluss einer dreitägigen Fortbildungsreihe, an der Polizeibeamtinnen und -beamte des höheren Dienstes aus dem gesamten Bundesgebiet teilnahmen. Organisiert und geleitet wurde sie von Vertretungsprofessorin Dr. Haydée Mareike Haass, der Antisemitismusbeauftragten der DHPol.

Nach einer Begrüßung durch den Ehrenvorsitzenden und Geschäftsführer unserer Jüdischen Gemeinde übernahm Hanna Stöckmann, Mitglied der Gemeindevertretung in unserer Synagoge eine etwa 50-minütige Einführung in die Grundlagen der jüdischen Religion.

Hanna Stöckmann, Mitglied der Gemeindevertretung, führte in die Grundlagen der jüdischen Religion ein und beleuchtete verschiedene Aspekte des jüdischen Glaubens

Dabei beleuchtete sie verschiedene Aspekte des jüdischen Glaubens: den monotheistischen Kern der Religion, veranschaulicht durch das zentrale Gebet „Höre Israel“ (Shma Israel), die Tora als zentrales Schriftwerk des Judentums, das jüdische Religionsgesetz, die Halacha, das den Alltag gläubiger Jüdinnen und Juden begleitet.

Zudem ging Hanna Stöckmann als Referentin auf die rituellen Gegenstände in unserer Synagoge näher ein, erläuterte die täglichen Gebete anhand eines hebräischen Gebetbuchs mit Übersetzung in die jeweilige Landessprache und schilderte die Rolle eines Kantors sowie eines Gemeinderabbiners.

Auch die Bedeutung der Kaschrut (jüdische Speisegesetze) und verschiedener jüdischer Bräuche kamen zur Sprache – um nur einige Beispiele zu nennen.

Danach ging das Wort an Herrn Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus seit 1. Mai 2018, der für einen kurzen Vortrag zur heutigen Fortbildung aus Berlin zu uns nach Münster gekommen war.

Herr Dr. Klein dankte zu Beginn seines Vortrages der Organisation der Polizeihochschule und allen Teilnehmer/innen für die Teilnahme an der heutigen Fortbildung.

Er sehe es als seine Aufgabe, dass staatliche Handeln gegen Judenfeindlichkeit zu koordinieren. Dazu gehöre, dass er als Beauftragter der Bundesregierung im Kampf gegen Antisemitismus mit den Mitgliedern des Bundestages zusammenarbeite, ebenso auch in die breite Zivilgesellschaft hineinwirke, indem er Projekte für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus fördere.

Als einen ebenso wichtigen Aspekt seiner Arbeit sprach Dr. Klein die Nähe zu den Jüdischen Gemeinden an, um sowohl Wünsche, Anliegen und Probleme der Mitglieder jüdischer Gemeinden besser verstehen zu können, wobei die Betroffenenperspektive zu beachten für ihn die wichtigste Leitlinie seiner Arbeit sei.

Den 7. Oktober bezeichnet Dr. Felix Klein als „Tag des Grauens und der Schande“.

Die unfassbare Brutalität, mit der die islamistischen Terroristen gemordet, verstümmelt, verbrannt, vergewaltigt und entführt haben, könne niemanden mit einem funktionierenden Kompass unberührt lassen.

„Seit dem Ende der Shoah“, so Dr. Felix Klein, „gab es keinen Tag, an dem so viele jüdische Menschen ermordet wurden wie am 7. Oktober 2023.“

Wenn die Mehrheitsgesellschaft meine, nach dem Holocaust sei ein solch mörderischer Judenhass nicht mehr möglich, würden Jüdinnen und Juden an den 7. Oktober denken und wissen: Doch, er ist möglich und kann sich auch heute Bahn brechen.

Herr Dr. Klein berichtete, dass er aus seinem Austausch mit Mitgliedern Jüdischer Gemeinden wisse, wie hoch die Verunsicherung, ja häufig auch Angst in den Jüdischen Gemeinden unmittelbar nach dem 7. Oktober auf ein bisher nicht bekanntes Niveau gestiegen sei.

Wäre dies nicht schon schockierend genug, habe sich die Toleranz der Mehrheitsgesellschaft, dass jüdisches Leben sich hierzulande seit dem 7. Oktober verschlechtert habe, genauso normalisiert.

Plakativ ausgedrückt, passe sich – so Herr Dr. Felix Klein – Judenhass im Laufe der Zeit an die jeweiligen gesellschaftlichen Trends und Diskurse an. Er werde stets so formuliert oder dargestellt, dass er in das aktuelle gesellschaftliche Klima passe und leichter Anschluss an bestehende Diskussionen finden würde.

Beim israelbezogenen Antisemitismus gehe es vordergründig um Israel, praktisch jedoch um den jüdischen Staat als jüdisches Kollektiv.

Israel sehe sich mit einer permanenten Andersbehandlung konfrontiert, indem an Israel höhere moralische Standards angelegt werden als an jedes andere Land.

Dr. Klein führte als Beispiels die UN-Generalversammlung an. So seien alle Länder zusammengenommen, innerhalb des Zeitraumes 2014 bis 2024 73-mal verurteilt worden, Israel im gleichen Zeitraum 174-mal.

Er würde, so Dr. Felix Klein, nicht sagen, dass Israel für seine Politik nicht auch verurteilt werden könne, doch im gleichen Zeitraum habe es Bürgerkriege und Massenmorde in Syrien, im Irak und im Sudan, zahlreiche Hinrichtungen politischer Gefangener im Iran und in China verurteilungswürdige Zustände gegeben und nicht auch zuletzt den seit drei Jahren anhaltenden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Doch das absurde Ungleichgewicht der UN bezüglich Israel lasse sich nicht rational begründen, egal wie kritisch man die israelische Politik auch sehen mag.

Herr Dr. Felix Klein wies auch nochmal darauf hin, dass jede Form von Judenhass gefährlich sei. Ob man als Gottesmörder, als Weltverschwörer oder als Zionist in seiner jüdischen Gemeinde angegriffen wird, sei irrelevant: Am Ende werde man – um es aus der Perspektive vieler Jüdinnen und Juden zu sagen – als Jude angegriffen.

Dass Problem des Antisemitismus sei momentan so akut, dass neben mittel- und langfristigen Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen kurzfristiger wirksamer Schutz für Jüdinnen und Juden essenziell sei, betonte Dr. Klein.

Mir hallen die Worte des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung auch noch beim Schreiben dieses Berichtes nach:

„Bezogen auf die heutige Fortbildung mit Ihnen als Beamten/innen des höheren Polizeidienstes spreche ich daher zu ihnen von Staatsdiener zu Staatsdiener: Die Polizei ist die erste und wichtigste Verteidigungslinie jüdischen Lebens in Deutschland. Es schmerzt mich, das sagen zu müssen, aber ohne Ihre Arbeit hätten wahrscheinlich sehr viele Juden ihr, ja unser Land schon längst verlassen oder verlassen müssen. Als Sicherheitsbehörde kommt Ihnen eine ganz besondere Verantwortung dabei zu, dass Deutschland für alle Menschen und speziell für die wenigen Jüdinnen und Juden ein lebenswertes Land bleiben kann.“

Dr. Klein schloss seinen Vortrag mit einer kleinen Anekdote, der zufolge der vierjährige Neffe eines seiner Mitarbeiter, der in Berlin in einen jüdischen Kindergarten gehe, sich weigern würde, an Polizeiautos vorbeizugehen, ohne ihnen zuzuwinken und sie zu begrüßen. Im Kindergarten würde er dann in seinen Worten erzählen: „Das sind die guten Menschen, die beschützen uns.“

Nach dem Wechsel von der Synagoge in den Gemeinde-Shalom-Saal im Obergeschoss, stellte Frau Prof. Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt, ihre Arbeit im ältesten jüdischen Museums der Bundesrepublik Deutschland vor.

Sie berichtete, dass sich der Schwerpunkt des Museums vor allem auf Bildungsarbeit konzentriere – ein Bereich, der zunehmend unter dem Eindruck von wachsendem Antisemitismus, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie Hass und Hetze gegen alles „Andere“ stehe. Dem setze das Museum die Förderung von Selbstreflexion entgegen – ein zentrales Leitmotiv der dortigen Bildungsarbeit. Frau Prof. Wenzel betonte, dass ihr Haus ein politisches Museum sei, jedoch keine tagespolitische Einrichtung. Die Aufgabe bestehe darin, auf die Kontinuität und die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Judenfeindschaft hinzuweisen und ihr durch umfassende Bildungs- und Aufklärungsarbeit entgegenzuwirken.

Anhand eines kurzen Bildvortrags stellte sie den Um- und Neubau des Museums vor. Besucherinnen und Besucher seien besonders von den überraschenden Lichteinfällen und dem sich zum Himmel öffnenden Atrium beeindruckt. Auch das Rothschild-Palais erstrahle in neuer Gestalt. Die Ausstellungen erstrecken sich über drei Etagen und thematisieren die jüdische Geschichte Frankfurts der letzten 200 Jahre – erzählt anhand persönlicher Geschichten, immer mit Bezug zur Gegenwart. Ziel sei es, durch anschauliche Präsentationsformen bei den Besucher/innen Nähe zur jüdischen Geschichte zu schaffen und Empathie zu wecken.

Neben den Ausstellungen böte das Museum ein breites Veranstaltungsprogramm, darunter Konzerte, Diskussionen und Lesungen. Besonders beliebt sei das museumseigene milchig-koschere Restaurant, das am Schabbat regelmäßig gut besucht sei, sowie die öffentliche Bibliothek mit einem eigenen Kinder- und Jugendprogramm. Hier könnten Interessierte anhand von Videos, Booklets, Hörproben und Interview-Mitschnitten tief in die Welt jüdischen Lebens eintauchen.

Ich persönlich nehme aus dem Vortrag von Professorin Mirjam Wenzel mit, dass das jüdische Museum Frankfurt seinen Besucherinnen und Besuchern heute ein lebendiges Zentrum für jüdische Kultur in Geschichte und Gegenwart anbietet.

Gegen 12:30 Uhr endete die Fortbildung, die von allen Teilnehmenden, mit denen ich sprach, als inhaltlich bereichernd und von einer angenehmen Gastfreundschaft geprägt beschrieben wurde.

Sharon Fehr, Ehrenvorsitzender und Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Münster