Gemeinsam gegen Antisemitismus
Rede von Zwi Rappoport,
Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Dortmund
und Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden
von Westfalen-Lippe, anlässlich einer Solidaritätskundgebung
vor der Reinoldikirche in Dortmund am 9. Oktober 2025 zur Erinnerung
an die Opfer der antisemitischen Gewalt in Israel 2023 und Halle 2019.
Liebe Freunde,
zwei Jahre nach dem Massaker der Terrororganisation Hamas in Israel am 7. Oktober 2023, bei dem 1200 Menschen bestialisch ermordet wurden, erinnern wir an die Opfer: Babys, Kinder, Frauen, Männer und Senioren – mehrheitlich Zivilisten.
Unter ihnen waren viele Friedensaktivisten, die an ein friedliches Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinensern geglaubt haben. Allein auf dem Nova-Musikfestival wurden mehr als 400 Besucher umgebracht.
Wir erinnern heute an die 250 Geiseln, die von ihren Familien, ihrem Zuhause und ihren Freunden weggerissen und nach Gaza verschleppt wurden.
Zwi Rappoport,
Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Groß-Dortmund
Wir erinnern an die deutschen Staatsbürger Tamir Adar, Gali Berman, Ziv Berman, Rom Braslavski, Itay Chen, Tamir Nimrodi und Alon Ohel, die seit 734 Tagen unter unmenschlichen Bedingungen als Geiseln gehalten werden und der Willkür der Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen ausgesetzt sind.
Wir hoffen und beten, dass alle Geiseln – DIE LEBENDEN UND DIE TOTEN – wirklich freigelassen werden, damit dieser Albtraum, der das ganze jüdische Volk traumatisiert hat, endlich ein Ende findet.
Dem Terrorüberfall in Israel folgten Hass und Gewalt auf Juden weltweit – auch in Deutschland:
Seit dem 7. Oktober 2023 tritt Judenhass offener, aggressiver und lauter zutage – oftmals getarnt als Kritik an Israel, tatsächlich jedoch als Hetze gegen Jüdinnen und Juden in unserem Land.
Körperliche Angriffe auf Juden, wie der brutale Angriff auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira Anfang 2024 in Berlin, der krankenhausreif zusammengeschlagen wurde, machen uns fassungslos.
Angriffe auf friedliche Demonstranten, die sich für die Befreiung der Geiseln stark machen – wie im August in Frankfurt geschehen – sind keine legitime Kritik an Israels Politik, sondern blanker Judenhass!
Die Ausladung der Münchener Philharmoniker wegen ihres israelischen Dirigenten, der sich immer für Frieden und Dialog eingesetzt hat, ist keine legitime Kritik an Israels Politik, sondern ein Vorwand für Hass und Ausgrenzung!
Und wenn ein Lokal in Fürth mit einem Aushang „Israelische Bürger“ für „nicht willkommen“ erklärt oder in einem Geschäft in Flensburg auf einem Schild im Schaufenster zu lesen war „Juden haben hier Hausverbot“, müsste jedem klar sein: Der Hass auf Israel und der Hass auf Juden sind zwei Seiten derselben Medaille!
Verehrte Anwesende,
ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass Mitgefühl mit den zivilen Opfer in Gaza verständlich und nachvollziehbar ist.
Aber wenn dabei ausgeblendet wird, dass die Verantwortung für den Ausbruch dieses schrecklichen Krieges allein bei den Terrororganisationen Hamas, Dschihad, Hisbollah und nicht zuletzt bei dem islamistischen Mullahregime im Iran zu suchen ist, dann führt diese gefährliche Einseitigkeit zu einer Täter-Opfer-Umkehr:
Dann ist Israel nicht mehr das Opfer, sondern der vermeintliche Täter.
Diese pervertierte Sichtweise scheint nicht nur in extremistischen Milieus, sondern leider auch in Teilen der Zivilgesellschaft Anschluss gefunden zu haben. Sie führt zu Hass und zunehmender Gewaltbereitschaft gegen Juden in Deutschland.
Wir appellieren an jeden Einzelnen, die Verantwortung dafür zu übernehmen, das Juden in Deutschland frei und sicher leben können.
Wenn Juden erneut in Deutschland Freiheit und Sicherheit verlieren, droht der deutschen Gesellschaft der Verlust der Demokratie.
Es beginnt mit den Juden.
Es hört aber nicht bei ihnen auf.
Verehrte Anwesende,
trotz des grassierenden Antisemitismus von allen Seiten ist die jüdische Gemeinschaft nicht bereit, zu resignieren und den extremistischen Kräften das Feld zu überlassen.
Im Gegenteil: Vor sechs Wochen hat die Jüdische Gemeinde Dortmund ein starkes Gegenzeichen gesetzt:
Mit Unterstützung der Stadt konnte eine städtische Jüdische Grundschule eröffnet werden.
Diese Schule steht für Vielfalt, für gegenseitigen Respekt und für ein friedliches Zusammenleben. – Werte, die unsere Stadt schon immer bereichert haben.
Jüdisches Leben ist ein Teil von Dortmund. Wir fühlen uns hier heimisch und werden uns gemeinsam mit allen demokratischen Kräften für ein friedliches Zusammenleben in unserer Stadt einsetzen.
Und auch aus dem Trialog zwischen Juden, Christen und Muslimen in unserer Stadt schöpfen wir Mut und Hoffnung.
Denn trotz der schrecklichen Ereignisse und des Krieges und trotz der unterschiedlichen Sichtweise auf den Nahost- Konflikt, haben wir den Gesprächsfaden zwischen den abrahamitischen Religionen nie abreißen lassen.
So sind wir gemeinsam mit den christliche Kirchen am 21. September den „Weg der Verbundenheit“ vom Platz der Alten Synagoge zur Jüdischen Gemeinde gegangen und haben so ein Zeichen des friedlichen Miteinanders und gegen Antisemitismus gesetzt.
Und eine Woche später haben Dortmunder Juden, Christen und Muslime beim „Fußballturnier der Religionen“ im Hoeschpark friedlich mit- und gegeneinander Fußball gespielt.
Denn allen Dortmundern guten Willens ist bewusst: WIR können den Nahost-Konflikt nicht lösen!
Jeder Einzelne von uns kann sich aber für ein friedliches Miteinander in unserer Stadt einsetzen: durch gegenseitige Begegnungen, durch gegenseitige Empathie und durch gegenseitigen Respekt.
Deshalb gilt trotz aller Widrigkeiten und trotz aller Widersprüche weiterhin:
WIR ALLE SIND DORTMUND
Shalom!
Foto: Netzwerk gegen Antisemitismus Dortmund