Ushpizin
Ushpizin (אושפיזין) sind sieben biblische Gäste, von denen wir einen pro Nacht in der Zeit des Sukkot-Festes begrüßen.

Das Wort „Ushpizin“ bedeutet im Aramäischen „Gast“. Und auch wenn wir offiziell einen Gast pro Nacht begrüßen, besagt die Tradition, dass im Laufe des gesamten Feiertags alle sieben Gäste anwesend sind.
Entsprechend der Lehre der Kabbala kommen am Sukkot-Fest die „Sieben Hirten“ als Gäste in unsere Sukka – die Sieben Anführer des Volkes Israel. „Zoar“, das grundlegende Buch der Kabbala, sagt uns, dass in der Zeit von Sukkot diese sieben Gäste, die sieben Vorväter des Volkes Israel in unsere Welt aus dem Garten Eden kommen, um mit uns auf der Erde zu sprechen.
Entsprechend dem geistigen Gedanken verfügt jeder der Gäste über seine eigenen Eigenschaften, die uns dabei helfen, uns mit dem eigenen geistigen „Ich“ zu vereinen, nachdem wir Zugang zu den g“ttlichen Energien erhalten haben. Der Talmud aber lehrt uns die folgenden wichtigen Details:
Abraham war der Erste, der sich mit dem Gebet Shacharit – in der Morgenzeit – an G”tt gewandt hatte. Abraham ließ uns verstehen, dass wenn wir die Segenssprüche nicht sprechen, wir uns in undankbare Empfänger g-ttlichen Segens verwandeln, die nur die eigenen Misserfolge zählen. Ein solcher Mensch denkt nur an das, was er nicht hat, und ist ständig enttäuscht, weil es ihm an allem mangelt.
Abraham verkörpert die erste von sieben Sephiroth, der g“ttlichen Eigenschaften der Ushpizin, und gehört zum ersten Tag: Hesed – die Eigenschaft der Gutherzigkeit oder Liebe (Sephira Abrahams).

Jitzchak betete zum Allm“chtigen, als der Sonnenuntergang sich näherte, im Mincha-Gebet. Jitzchak lehrt uns, die Momente zu bewältigen, wenn das Leben sich vom Licht ins Dunkel wandelt, aus Erfolg ein Scheitern und aus Glück Unglück wird, wenn schwierige Tage und Herausforderungen unsere Errungenschaften und den Erfolg bedrohen. Jitzchak inspiriert in den Momenten, wenn unser Glaube zu schwanken beginnt, und er versichert uns, dass nach einem dunklen Tag immer ein heller Tag folgt.
Jitzchak verkörpert die zweite von sieben Sephiroth, der g“ttlichen Eigenschaften der Ushpizin und gehört zum zweiten Tag: Gwura – die Zurückhaltung und Disziplin (Sephira Jitzchaks).

Jaakov begründete in seinem Gebet zu G“tt in der Nacht, in den Momenten der Angst und Sorge das Maariv. Die Geschichte Jaakovs lehrt uns, dass die innere Kraft ihn bei den Angriffen von Esau in der Jugend unterstützt hat, in dem Unglück der Geschichte Josefs, sowie bei der ersten Vertreibung der Juden nach Ägypten in seinem Lebensabend.
Jaakov verkörpert die dritte von sieben Sephiroth, der g“ttlichen Eigenschaften der Ushpizin, und gehört zum dritten Tag: Tieferet – Schönheit, Harmonie und Wahrheit (Sephira Jaakovs).

Moshe war der Einzige, der „von Angesicht zu Angesicht“ mit G“tt sprach, der sein rebellisches Volk zähmen konnte, welches seinen Anführer niemals in dem Maße schätzte, wie er es verdient hatte. Der Ort der Bestattung von Moshe ist uns nicht bekannt, denn der Allm“chtige wollte nicht, dass wir uns vor seinem Grab verneigen, sondern nur vor der Heiligen Thora.
Moshe verkörpert die vierte der sieben Sephiroth, der g“ttlichen Eigenschaften der Ushpizin, und gehört zum vierten Tag: Nezach – Sieg und Stärke (Sephira Moshes).

Aaron war derjenige, der die Liebe des Volkes als Hohepriester erlangte, sich um alle kümmerte, einschließlich der Sünder. Jeder der streitenden Parteien sagte Aaron die folgenden Worte: „Ich hörte, wie der Mensch, den du für deinen Feind hältst, sagte, wie sehr er es bedauert und wie sehr ihm das Missverständnis zwischen euch leidtut. Er möchte sich so verzweifelt entschuldigen, doch er hält sich nur deswegen zurück, weil er sich schämt.“ Auch wenn es nicht wahr gewesen ist, glaubte Aaron doch an die Freundschaft zwischen jüdischen Glaubensbrüdern, weil dann die Lüge zur Mizwa werden konnte, wenn sie Gegner in Freunde verwandelt.
Aaron verkörpert die fünfte von sieben Sephiroth, der g“ttlichen Eigenschaften der Ushpizin, und gehört zum fünften Tag: Hod – die Erhabenheit und Demut (Sephira Aarons).

Josef wurde ein wahrhafter Zaddik – ein Gerechter, der es schaffte, den Glauben nicht nur an G“tt zu bewahren, doch auch an das Gute im Menschen, nach dem, was seine eigenen Brüder ihm angetan hatten, als sie ihn in die Sklaverei verkauften. Doch das Erstaunlichste ist, wie er es geschafft hat, das schreckliche Verbrechen seiner Brüder zu verzeihen und in seinem Herzen die Möglichkeit zu finden, ihnen ihre Sünde zu vergeben. Die Liebe zu seinem Nächsten wie zu sich selbst, sogar nach dem, wie grausam sie zu dir gewesen sind.
Josef verkörpert die sechste von sieben Sephiroth, der g“ttlichen Eigenschaften der Ushpizin, und gehört zum sechsten Tag: Jesod – die Grundlage und Verbindung (Sephira Josefs).

David, der größte König aller Zeiten und Völker, aus dessen Haus sich der Maschiach der Welt zeigen wird. Seine Verdienste vor dem Hause Israels sind unzählbar und sein Königreich war eins der größten. Sein Buch der Psalmen (ספר תהלים) ist ein Meisterwerk des Gebetes und der Poesie. Doch es gibt eine Sache, die seine Großartigkeit am besten von allem beschreibt, zuallererst als Mensch. Als er mit dem Propheten Nathan wegen seiner Sünde mit Batseba zusammenstieß, fiel David nieder und antwortete, ohne nachzudenken, mit einem Wort: „hatati“ – ich habe gesündigt. Keinerlei Erklärungen, Rechtfertigungen, kein Ausnutzen der Macht. Keine Auseinandersetzung zwischen dem König und dem Propheten. David bekannte öffentlich, dass G-tt über jedem König steht und dass das g“ttliche Gesetz jede menschliche Schwächen übersteigt.
David verkörpert die siebte von sieben Sephiroth, der g“ttlichen Eigenschaften der Ushpizin, und gehört zum siebten Tag: Malchut – die oberste Herrschaft, Empfänglichkeit, Führung (Sephira des Königs David).
Man kann uns oft fragen: „Was gewinnt ihr, wenn ihr täglich zum Allm”chtigen betet?“
Die Antwort aber verbirgt sich in den Lebensgeschichten unserer sieben Vorväter und ist sehr einfach, sagt Rabbi Nachman von Breslau: „Gut, lasst mich euch erzählen, was ich verloren habe: Zorn, Geiz, Habgier, Depression, Selbstbezogenheit, Unsicherheit und Angst vor dem Tod.“
In manchen Fällen ist die Antwort auf unsere Gebete nicht das, was man gewonnen hat, sondern was man verliert und das wird schlussendlich zu unserer Errungenschaft.

Die Zahl 7 ist im Judentum die vollkommene Zahl, Zahl der Vollendung und Vollständigkeit. Sie symbolisiert die Heiligkeit des Shabbat. Beim Sukkot-Fest erwartet jedes jüdische Haus die sieben Uschpizin, die sieben Anführer des Volkes Israel. Uns aber bleibt nur, sich daran zu erinnern, dass der Glaube an die Werte und Prinzipien des Lebens dieser sieben Säulen des Volkes Israel der Schlüssel zu unserer Einheit, unserer Existenz und schlussendlich zu unserem Überleben als Volk sind.
Ramiel Tkachenko, Chefredakteur des Magazins J.E.W.