Gegen Antisemitismus und Terror

Kundgebung zum Jahrestag des 7. Oktober in Dortmund

Der Platz vor der zentralen Dortmunder Reinoldikirche war gut gefüllt: An die 450 Personen kamen am Abend des 7. Oktober 2024 dort hin, um bei einer Kundgebung unter dem Titel „Gegen Antisemitismus und Terror“ anlässlich des ersten Jahrestages des terroristischen Angriffs der Hamas vor einem Jahr an dessen Opfer zu erinnern. Gleichzeitig sollte ein Zeichen gegen den gegenwärtigen Antisemitismus gesetzt werden. Es waren Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, Vertreter*innen von Parteien und Verbänden, aber auch viele Bürger und Bürgerinnen, die an der Versammlung teilnahmen.

Organisiert hatte die Kundgebung das „Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund“, ein stadtweiter Zusammenschluss von rund 25 zivilgesellschaftlichen Organisationen und kommunalen Einrichtungen, welcher seit 2018 besteht. Koordiniert wird das Netzwerk von ADIRA, der Antidiskriminierungsberatungsstelle der Jüdischen Gemeinde Dortmund. Das Netzwerk hatte bereits im letzten Jahr kurz nach dem Terrorangriff spontan eine Solidaritätskundgebung abgehalten und sich entschlossen, dies auch am Jahrestag zu wiederholen.

Denn für das Netzwerk ist der 7. Oktober keineswegs vorbei, wie in dem Aufruf betont wurde: „Noch immer wird das Leben der Menschen in Israel von der Hamas und ihrer Verbündeten bedroht. Noch immer befinden sich über einhundert Geiseln in den Händen der Hamas. Wie viele von ihnen noch am Leben sind und wie es ihnen geht, ist ungewiss.“ Zudem sei der 7. Oktober auch deshalb nicht vorbei, „weil der Tag und seine Folgen eine bis heute ungebrochene Welle des Antisemitismus losgetreten haben und als Gelegenheitsstruktur von verschiedenen antisemitischen Akteur*innen genutzt wird. In Bildungseinrichtungen, in den sozialen Medien und auf der Straße wird der Krieg gegen die Hamas in Gaza zum Anlass dafür genommen, Israel zu dämonisieren und das Existenzrecht abzusprechen. Dazu ereigneten sich eine Vielzahl von Angriffen und Anfeindungen gegen Jüdinnen und Juden.“

Optisch geprägt wurde die Kundgebung nicht nur durch viele Besucher*innen, sondern auch durch zahlreiche gelbe Luftballons, als Symbol der Solidarität mit den Geiseln und Opfer des Terroranschlags dienten. Die Idee hierzu kam von dem jüdischen Studierendenverband JAtiD aus Dortmund und seiner neuen Leiterin Nina Chernobelska. Daneben waren einige Israel-Fahnen zu sehen sowie Transparente, die sich gegen Antisemitismus aussprachen.

Zu Beginn der Kundgebung wurde nach einer Begrüßung der Teilnehmenden der Aufruf verlesen und deutlich gemacht, dass auf der Kundgebung weder Platz für antisemitische und rassistische Äußerungen sei. Es würde darum gehen, ein friedliches Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen, daher seien Personen, welche das Thema für Hetze missbrauchen würden, wie z.B. Mitglieder der AfD, nicht willkommen.

Für den ersten Redebeitrag konnte eine prominente Rednerin gewonnen werden: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen und ehemalige Bundesjustizministerin sprach zu den Anwesenden und machte deutlich, dass die Landesregierung an der Seite von Betroffenen von Antisemitismus und Israel stände.

Ihr folgte eine Rede von Zwi Rappoport, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Dortmund sowie des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe. Er erklärte, in welcher Lage sich die jüdische Community befindet und wies insbesondere daraufhin, dass sich die Hoffnung auf eine gewisse Normalität jüdischen Lebens in Deutschland mit dem Terrorüberfall auf Israel in Luft aufgelöst hätte. Grund dafür sei neben Antisemitismus auch, dass die breite Masse der Zivilgesellschaft emotionslos und gleichgültig auf das größte Massaker an Juden seit dem Holocaust reagiert. Er betonte aber auch, dass die jüdische Gemeinschaft trotz der Bedrohung, versuche, nicht mutlos und resigniert zu sein. Solidaritätskundgebungen wie diese würden Mut stiften. Gleichzeitig rief Herr Rappport zu einem friedlichen Zusammenleben auf und schloss mit der Aussage: „Wir alle sind Dortmund“.

Der wohl bewegendste Redebeitrag kam anschließend von Bar Calmanovici und Shenhav Dabool. Das junge israelische Paar hielt sich für ein paar Tage in Dortmund auf und hatte sich entschlossen, auch auf der Kundgebung zu sprechen. Sie waren am 7. Oktober im Kibbuz Nahal Oz, welches als eines der ersten von der Hamas überfallen wurde. Beide überlebten nur durch Glück, in dem sie sich 17 Stunden lang in einem Schutzraum verbarrikadieren konnten. Vor den ergriffenen Anwesenden schilderten sie eindrücklich ihre Emotionen und Gedanken zu dieser schrecklichen Erfahrung. Später nach der Kundgebung erzählten sie ihre Geschichte noch einmal ausführlich in der Jüdischen Gemeinde Dortmund.

Nach den ersten drei Reden war es dann Zeit für einen Musikbeitrag: Ilja Scherb, Mitglied der Gemeinde in Dortmund und Rapper, trat unter seinem Künstlernamen „50 Schekel“ auf und rappte einen Song, in dem er seine Gedanken zum 7. Oktober verarbeitet hatte.

Hiernach folgten mehrere Redebeiträge von Mitgliedsorganisationen aus dem Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus. Zuerst sprachen Ruth Nientiedt und Anette Back von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die in ihrem Beitrag noch einmal herausstellten, warum der 7. Oktober als eine Zäsur nicht nur für Israel, sondern für Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt gelten muss. Micha Neumann, Leiter der Beratungsstelle ADIRA, richtete anschließend in seinem Beitrag den Blick auf Antisemitismus in Deutschland und in Dortmund und machte deutlich, welche Folgen dieser für Betroffene, aber auch für die Arbeit von ADIRA hat. Die nächste Rede hielt Daniel Lörcher von der what matters gGmbH. Er war im Rahmen seiner Arbeit dieses Jahr schon mehrfach in Israel und führte Projekte vor Ort durch, von denen er berichtete. Den Fokus richte er zudem auf Netta Epstein, einem Opfer des Terroranschlags, mit dessen Eltern Daniel Lörcher im Kontakt steht. Der BVB-Fan Netta rette seiner Verlobten Irene das Leben, in dem er sich auf eine Handgranate warf. Konkrete politische Forderungen wurden danach im Beitrag von Paul Mentz, Vertreter des Bildungsvereins Bagrut e.V. aufgestellt: Er wies auf die Rolle des Irans hin, dessen Regime die Hamas unterstützt und dass in der Politik noch zu wenige dagegen getan werde. Daher müssten „iranischen Terrorstrukturen in Deutschland zerschlagen werden“ und „antisemitischen Terror befürwortende Organisationen verboten werden“.

Anschließend war noch ein weiterer Song von „50 Schekel“ zu hören, welchen er mit dem Gesang „Am Israel Chai!“ beendete. Einen würdigen Abschluss fand die Kundgebung mit dem Verlesen der Namen der verbliebenen 101 Geiseln durch Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Unna sowie dem El male rachamim von Rabbiner Avigdor Nosikov. Danach blieben viele Teilnehmende noch für Gespräche und Austausch auf dem Platz, bevor sich die Menschenmenge langsam verstreute.

Insgesamt war es durch die vielen Redebeiträge und die emotionale Stimmung eine würdige und bewegende Kundgebung in Dortmund, mit der Solidarität mit den Opfern und Geiseln gezeigt werden konnte und deutlich gemacht wurde, dass wir gegen jeden Antisemitismus einstehen. Das Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus wird auch in weiterer Zeit die Situation in Dortmund beobachten und gegen Antisemitismus aufstehen.

Micha Neumann, ADIRA – Antidiskriminierugsberatung
Foto: Netzwerk gegen Antisemitismus in Dortmund

Der Aufruf zu der Kundgebung kann hier gelesen werden: https://adira-nrw.de/kundgebung-gegen-antisemitismus-und-terror/

Weitere Informationen zum Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus unter: https://gegen-antisemitismus-do.de/