Zwi Rappoport,
Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe K.d.o.R.

Zwi Rappoport Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe K.d.o.R.

Liebe jüdische Leser,

ich vermute, es geht Ihnen ähnlich wie mir:

Während der Advents- und Weihnachtszeit empfinde ich meine jüdische Identität besonders intensiv.

Denn während meine christliche Umwelt freudig und hoffnungsvoll auf die Geburt des Jesuskindlein wartet, fühle ich mich ein wenig ausgegrenzt und kann nicht so ganz verstehen, wieso ausgerechnet die Geburt eines jüdischen Kindes meine christlichen Nachbarn so entzückt.

In den orthodoxen christlichen Kirchen wird sogar die Brith Mila am 8. Lebenstag des Babys „Joshua“ gefeiert (die katholische Kirche hat das 1969 abgeschafft).

Obwohl also die ganze „Simche“ eigentlich von uns kommt, sind wir Juden in diesen Tagen außen vor. Da nützt es auch nicht, dass man mir – wie gestern geschehen – einen Adventskalender schenkt und mir Frohe Weihnachten wünscht. Das ist zweifellos gut gemeint, aber gedankenlos.

Tröstlich ist allerdings, dass wir von der üblichen Hektik und dem Stress der Weihnachtsvorbereitungen verschont bleiben. Wir haben keine schlaflosen Nächte beim Grübeln, wem wir was schenken müssen. Die mühevolle Suche nach einem geeigneten Weihnachtsbaum entfällt und auch der Ärger über die hässlichen Socken, die uns die Schwiegermutter geschenkt hat, bleibt uns erspart.

Und dann ist da ja noch Chanukka, unser Lichterfest, das an die Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem erinnert und in der Regel in die Weihnachtszeit fällt.

Hier können wir für unsere Kinder dagegenhalten und über das Wunder berichten, dass die Menora, der siebenarmige Leuchter, im Tempel mit einem letzten Rest koscheren Öls angezündet wurde und trotzdem die Lichter ganze acht Tage lang brannten.

Wenn wir dann noch an den Ursprung des Festes, nämlich den Sieg der Makkabäer erinnern, jeden Tag eine Kerze der Chanukkia anzünden und stolz auf die Fensterbank stellen, im Kreise der Familie oder in der Gemeinde Lieder singen, Latkes essen und mit dem Dreidel spielen, dann bin ich sicher, dass niemand mehr das, zugegeben, auch schöne christliche Lichterfest vermisst.

In diesem Sinne:
Chanukka Sameach, liebe Gemeindemitglieder und
Frohe Weihnachten, liebe Mitbürger.