Erich-Gottschalk-Platz: Eine späte Ehrung für TuS Hakoah Bochum
Bochum, 26. Juni 2025
Mit der feierlichen Eröffnung des neu gestalteten Erich-Gottschalk-Platzes an der Ecke Castroper Straße/Blumenstraße ist in Bochum ein neuer Erinnerungs- und Lernort entstanden. Was auf den ersten Blick wie ein kleiner Park erscheint, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Statement gegen das Vergessen. Durch das unermüdliche Engagement des Fanprojekt Bochum, ob im Kleinen durch Spendenaktionen oder im Großen durch die Koordination und Zusammenführung verschiedener Akteur*innen, konnte dieses Projekt umgesetzt werden.
Im Zentrum der Platzgestaltung steht eine Kunstinstallation des Bochumer Künstlers Marcus Kiel. Er schuf einen offenen, U-förmig gemauerten Raum aus roten Ziegeln – eine Anspielung auf historische Vereinsräume –, der sich zur Castroper Straße hin öffnet. Der symbolträchtige Blick reicht von dort zur Bochumer Synagoge, dem ehemaligen Vereinsheim und dem Stadion des VfL Bochum 1848. Die Außenwände des Ziegelraums sind mit Schaukästen versehen, in denen historische Dokumente des jüdischen Sportvereins TuS Hakoah – später Schild Bochum – ausgestellt sind. Besucher*innen können sich so an einem begrünten Ort auf dem Weg ins Stadion mit der Bochumer Geschichte auseinandersetzen.
Die feierliche Einweihung fand am 26. Juni statt – exakt 87 Jahre nach dem größten sportlichen Erfolg des Vereins: dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft im Schildverband 1938. An der Zeremonie nahmen rund 50 geladene Gäste teil. Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, Paul van de Vooren, Neffe des Namensgebers, und Leonid Chraga, Vorsitzender des TuS Makkabi Bochum, enthüllten gemeinsam die Installation. Durch die Veranstaltung führte Florian Kovatsch, der sich seit Jahren für die Gestaltung des Platzes engagiert. Zu Beginn gedachte Kovatsch der ermordeten Familienmitglieder von Erich Gottschalk und nannte ihre Namen: „Für Lina, für Adolf, für Rosa, René und Erich.“ – Eine Geste, die Hubert Schneiders Anliegen aufgreift: den Erinnerungen einen Namen zu geben.
„Der Platz würdigt nicht nur den Menschen Erich Gottschalk“, betonte Oberbürgermeister Eiskirch. „Er steht auch für unsere demokratische Verantwortung. Gegen Antisemitismus, für Vielfalt.“
Ein besonders emotionaler Moment war die persönliche Erinnerung von Paul van de Vooren an das Leben und das tragische Schicksal seines Onkels Erich Gottschalk und dessen Familie. Van de Vooren berichtet liebevoll von „Onkel Erich“, von dessen Frau, mit der Erich politische Diskussionen, Liebe und sein Leben teilte. Gottschalk war nicht nur Sportler, sondern auch ein jüdischer Bürger, dem die Nationalsozialisten nach 1933 die sportliche und gesellschaftliche Teilhabe systematisch verweigerten.
Erich Gottschalk wurde in Bochum geboren und spielte zunächst in der Jugend des TuS Bochum, einem Vorgängerverein des heutigen VfL Bochum 1848. Ab 1925 war er Spieler beim jüdischen Verein TuS Hakoah Bochum. Trotz zunehmender Ausgrenzung führte Gottschalk seine Mannschaft im Juni 1938 als Kapitän zur Deutschen Meisterschaft – ein bis heute einzigartiger Titelgewinn im Bochumer Fußball. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der Verein verfolgt, seine Mitglieder entrechtet, vertrieben oder ermordet. Gottschalk überlebte die Shoah und lebte später in den Niederlanden. Die Verbrechen an seiner Familie konnte er nie vergessen, kehrte aber zeitlebens immer wieder als Besucher nach Deutschland zurück. Sein sportlicher und menschlicher Beitrag blieb in der öffentlichen Erinnerung lange unbeachtet – bis jetzt.
Musikalisch begleitet wurde die Einweihung von Leonid Spivak (Klarinette) und Natalja Polonska (Violine), die mit heiteren jiddischen Liedern den feierlichen Anlass unterstrichen.
Leonid Chraga stellte klar: „Die Nazis haben nicht gewonnen, wo wir alle zum Sport zusammenkommen“. TuS Makkabi ist heute ein Sportverein in Bochum mit über 100 Mitgliedern mit verschiedenen Religionen, Herkunftsgeschichten, Sprachen und Weltanschauungen.
Die Idee zur Neugestaltung entstand in einer Zusammenarbeit zwischen der Stadt Bochum, dem Fanprojekt Bochum unter Trägerschaft der AWO Ruhr-Mitte, jungen Fußballfans und dem Künstler Marcus Kiel. Besonders engagiert zeigte sich die Faninitiative Bochum e.V., die die Projektidee mit großem Einsatz unterstützte. Finanziert wurde der Platz durch die Deutsche Fußball Liga (DFL), die Stadt Bochum, den VfL Bochum 1848, den Umweltservice Bochum (USB) sowie durch Spendenaktionen – unter anderem durch Becherpfand-Sammlungen bei Heimspielen.
Auf Grund seines unermüdlichen Engagements, jüdisches Leben in Bochum – damals und heute – sichtbar und erfahrbar zu machen, bekommt das Fanprojekt Bochum in diesem Jahr zusammen mit Herrn Daniel Lörcher die Dr. Ruer-Medaille der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen verliehen. Wir freuen uns sehr, hiermit ein Projekt auszuzeichnen, das verschiedene Menschen durch den Fußball, politisches Engagement und ihre Tatkraft vereint.
Marie Zielinski
Foto-Quelle: Stadt Bochum